Wie nehmen Autist*innen die Welt wahr?

Da quietscht eine Straßenbahn um die Kurve, aus jedem zweiten an der Ampel auf Grün wartenden Auto dröhnt andere Musik, im Kinderwagen zwei Meter weiter schreit herzzerreißend ein Baby… Nach der „beinahe Flucht“ ins Einkaufszentrum tönt raumfüllend aus jedem Bereich vermeintlich leise plätschernde, zum Kaufen animierende Musik, Menschen unterhalten sich, Mütter rufen ihre Kinder, dazu strahlen grelle Leuchtreklamen usw. usf. Was die meisten von uns nicht mal wahrnehmen, empfinden Autisten extrem intensiv und damit als quälend.

Sie sind nicht in der Lage, so viele Eindrücke auf einmal aufzunehmen und zu verarbeiten. Der israelische Hirnforscher Henry Markram erklärt dies mit einer Überfunktion im Gehirn der Betroffenen. Ihre Gehirnzellen sind deutlich aktiver und viel vernetzter als bei normalen Menschen. Deshalb sei für sie alles „schneller, lauter und bunter“. „Es ist, als ob alle Sinne verstärkt würden. Um den Faktor eins, zwei, drei oder vielleicht sogar zehn. Je nachdem, wie stark der Autismus ist.“
Hirnforscher Henry Markram, École Polytechnique Fédérale de Lausanne, Schweiz

Es sei also eine Hypersensivität, die davon begleitet werde, dass Autist*innen nichts vergessen würden. In ihren Köpfen ist also vergleichsweise viel zu viel auf einmal los.

Auch wenn das in der Wissenschaft nicht von allen genauso gesehen wird, sollten wir „normale Menschen“ uns einfach mal vorstellen, dass jede Wahrnehmung um uns herum zehnmal so stark auf uns „einprasseln“ würde. Da würden wohl auch wir vermutlich den Rückzug wählen…